Capri-Sun-Chef Hans-Peter Wild will den Umsatz verdoppeln

2022-05-21 12:20:18 By : Ms. Alisa Xiong

Der wohl spektakulärste Coup des Unternehmers war sein Werbedeal mit Muhammed Ali.

Der wohl spektakulärste Coup des Unternehmers war sein Werbedeal mit Muhammed Ali.

Eppelheim Seit 30 Jahren lebt Hans-Peter Wild in der Schweiz, doch auch mit 78 Jahren schaut der Inhaber von Capri-Sun alle paar Wochen in der Zentrale in Eppelheim bei Heidelberg vorbei. Denn das weltbekannte Kindergetränk durchlebt just im 50. Jubiläumsjahr turbulente Zeiten.

Drei Packungen mit Capri-Sun (bis 2017 „Capri-Sonne“) hat der drahtige Unternehmer vor sich auf dem Tisch aufgebaut: den klassischen Alubeutel mit Trinkhalm, den großen Alubeutel mit Schraubverschluss und das neue Capri-Sun Bubbles in der Dose. „Raten Sie mal, welche Verpackung am ökologischsten ist, aber am meisten verteufelt wird?“ fragt Wild und deutet auf den Silberbeutel mit Halm.

Mehr als sechs Milliarden Capri-Sun und genauso viele Halme werden weltweit im Jahr produziert. Der ikonische Beutel, den Generationen von Kindern gerne aufblasen und mit einem Knall zertreten, wiegt nur vier Gramm und ist pfandbefreit. Umweltschützern ist vor allem der Plastikhalm ein Dorn im Auge.

Spätestens 2021 sind diese EU-weit verboten. „Dabei haben Schraubverschlüsse zigmal so viel Plastik wie unsere Halme“, wundert sich Wild. „Das plötzliche Strohhalmverbot ist eine Existenzfrage für uns“, konstatiert er. Der Safthersteller mit etwa 800 Mitarbeitern wollte eigentlich seinen Eigenumsatz mittelfristig auf eine Milliarde Euro verdoppeln: durch neue Produkte, Zukäufe und mehr Eigenabfüllung im Ausland statt Lizenzvergabe.

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Denn, die Umsätze der Lizenznehmer weltweit eingerechnet, erwirtschaftet Capri-Sun heute schon 1,5 Milliarden Euro. Doch statt an Wachstumsstrategien, tüfteln die Eppelheimer nun vorrangig an alternativen Trinkhalmen samt neuer Maschinen. „Die Umstellung ist ein riesiger Akt für uns mit beachtlichen Kosten“, sagt Wild.

Zunächst soll es einen imprägnierten Papierhalm geben. Auch Bambus und anderes Naturmaterial sei denkbar, aber längst nicht serienreif. Umweltschützer kritisieren nicht nur die Plastikhalme, sondern auch die unverrottbaren Beutel. „Verpackungen aus nicht recyclingfähigen Verbundmaterialien sind eine Umweltkatastrophe“, sagt Viola Wohlgemuth von Greenpeace.

Die Umweltschützerin hat Capri-Sun-Beutel auf illegalen Deponien in Polen und sogar in Malaysia entdeckt. „Wir fordern, dass Capri-Sun komplett auf recyclingfähige Verpackung umstellt“, so Wohlgemuth. Die Firma müsse endlich ihre Verantwortung für die Verschmutzung ganzer Regionen mit ihrem Plastikmüll übernehmen.

„Es ist eine Schande, dass deutscher Plastikmüll in Asien die Meere verschmutzt“, meint auch Wild. „Wir sollten endlich die Müllexporte stoppen und durch Verbrennen die Energie rückgewinnen.“ In modernen Anlagen könne das Aluminium recycelt werden. Der Beutel, der sich durch die Alufolie auch im Sommer kühl anfühlt, hat nur eine 0,008 Millimeter dünne Metallschicht in der Mitte.

Wild lässt nun an Alternativen zum Alu-Verbundstoff forschen. In Italien hat er einen Verpackungsspezialisten zugekauft. Einen Beutel aus durchsichtiger Folie testet Capri-Sun gerade in England. Bei der Durchlässigkeit von Licht und Luft gebe es große Fortschritte, so dass der Saft nicht nur ein paar Monate halte.

Wild hat Capri-Sun zu einem internationalen Bestseller gemacht. Wilds Vater Rudolf, ein Chemiker, gründete 1931 die Zickzack-Werke, die rein natürliche Aromen und Grundstoffe für Nahrungsmittel herstellten. 1951 kam die Limonade Libella auf den Markt.

Der Durchbruch gelang, als der Vater den sogenannten Heidelberger Mixer entwickelte. „Die Mischmaschine platzierte er kostenlos bei 50 Getränkeherstellern – unter der Bedingung, dass sie unsere Grundstoffe abnehmen“, erzählt der Sohn. „Seitdem sind wir auch Maschinenbauer.“

1956 kamen die Deutschen Sisi-Werke hinzu, die 1969 Capri-Sonne auf den Markt brachten. Der Clou war der Standbeutel. Damals gab es Getränke für unterwegs im Tetraeder etwa von Sunkist aus Kalifornien. „Den Marktführer haben wir lange bekämpft, bis er vom Markt verschwand“, so Wild. Gegen rund 40 Nachahmer zog er weltweit zu Felde.

Das Patent für die Saftbeutel-Maschine hielt ein Franzose, der sonst Nähmaschinen produzierte. Noch als Student verhandelte Hans-Peter Wild damals mit dem Erfinder. „Ich war der einzige in der Firma, der Fremdsprachen konnte“, sagt der Diplomkaufmann und Jurist, der an der Sorbonne promovierte. „Die Maschine war eine Katastrophe“, erinnert sich Wild. „Die Beutel liefen ständig aus.“ Der Vater entwickelte eine bessere.

1974 wechselte der Sohn aus der Ölindustrie ins Familienunternehmen und startete die weltweite Expansion von Wild Flavors und Capri-Sun. Wilds wohl spektakulärster Coup war sein Werbedeal mit Muhammed Ali. Der Boxer trank ohnehin Capri-Sun und ließ sich 1979 zu einem Werbefilm überreden. „Den Spot haben wir ohne Drehbuch in einer Schule in Jacksonville gedreht, Kinder dazu von der Straße gecastet“, so Wild.

Er bat Ali, etwas zum Produkt zu erzählen, da sprach der Boxer spontan den legendären Satz: „I am now the greatest, but when I stop boxing Capri-Sun is gonna be the greatest.“ Das brachte den Durchbruch in den USA und weltweit. „Alle dachten, wir sind eine wichtige Firma“, lacht Wild. Ali war mehrmals in Eppelheim zu Besuch. Aber weil der Boxer seine Werbeverpflichtungen schleifen ließ, kam Wild sehr günstig weg.

„Hans-Peter Wild ist einer der großen Unternehmer Deutschlands“, konstatiert Johannes Huth, Europa-Chef von Finanzinvestor KKR. „Wild Flavors hat zwar sein Vater gegründet, aber er hat es zu einem weltweiten Marktführer aufgebaut.“ Huth arbeitete vier Jahre „eng und gern“ mit HPW, wie er intern genannt wird, zusammen.

Denn 2010 hatte Wild den US-Finanzinvestor an seiner Aromensparte beteiligt, die rund eine Milliarde Euro Umsatz machte. 2014 übernahm US-Nahrungsmittelkonzern ADM Wild Flavors – für satte 2,3 Milliarden Euro. „Der Verkauf war ein gutes Geschäft – für ihn und uns“, freut sich Investor Huth.

Mehr als sechs Milliarden Getränkepackungen und genauso viele Halme werden weltweit im Jahr produziert.

Mehr als sechs Milliarden Getränkepackungen und genauso viele Halme werden weltweit im Jahr produziert.

Mit dem Geld will Wild mit Getränken expandieren. „In China ist Capri-Sun ein Premiumgetränk, da bauen wir nun die zweite Fabrik.” In den USA wird Capri-Sun von Kraft Heinz in Lizenz produziert und vertrieben. Seit einer Preisanhebung gehen dort die Geschäfte zurück, was Wild ärgert: „In Deutschland haben wir auch die Preise erhöht, aber genauso die Mengen und Umsätze.”

„Wir werden in Schlüsselregionen wieder mehr selbst produzieren“, verrät Wild. „Das ist zwar risikoreicher, aber auch lukrativer.“ Geld hat er seit dem ADM-Verkauf genug auf der hohen Kante. „Meine Strategie lautete immer: Kapital aus einem Geschäft abziehen und damit etwas Neues aufbauen.“

Nur einmal rutschte Capri-Sun in der Verlustzone. „Vor 15 Jahren produzierten wir zu viel Ausschuss“, räumt Wild ein. Er ist stolz, mit denselben Leuten die Firma wieder auf Kurs gebracht zu haben. Auch einige Getränke floppten. Zuckerreduzierte Capri-Sun wollte keiner trinken, genauso wenig wie ein Mineral-Sportgetränk und eine Bio-Schorle.

Dafür hatte Wild persönlich in einem Kibbuz in Israel Bio-Orangen gekauft. „Am Schluss saß ich auf 500 Tonnen Bio-Orangen. Wir waren mit diesen Innovationen einfach zu früh.“ Die Verbraucherorganisation Foodwatch hatte Capri-Sun 2013 mit dem „Goldenen Windbeutel“ geschmäht – das sei Werbung für „Zuckerwasser mit Fruchtanteil“. Inzwischen hat Capri-Sun auch zuckerfreie Schorle im Sortiment.

Die neue Capri Sun Bubbles mit Kohlensäure kommt mit wenig Zucker aus und soll im Premiumsegment Orangina & Co. Konkurrenz machen. Zwei Millionen Dosen wurden bereits verkauft. Bubbles komme in der Gamerszene gut an. Nach einer Umfrage von Iconkids & Youth ist Capri-Sun hinter Coca-Cola und Fanta die „coolste Getränkemarke“ der deutschen Jugend.

Obwohl der Saftkonsum hierzulande seit Jahren schrumpft, wächst Capri-Sun nach einer Flaute wieder mit rund acht Prozent im Jahr. Hoffnungsträger sind Bio-Tees mit Saft der Marke All I need. Das Start-up aus Österreich wurde 2018 übernommen. Auch Limos aus der proteinhaltigen Moringa-Frucht kann sich Wild vorstellen. „Von Asienreisen brachte Wild stets unbekannte Getränke mit, die er an Kiosken entdeckte“, erzählt KKR-Manager Huth.

„Er ist ein Selfmade-Man – mit Geschäftssinn und Leidenschaft fürs Detail.“ Hans-Peter Wild sei mit seinen 78 Jahren jung im Kopf und stoße viele Ideen an, meint René Püchner, Deutschland-Chef von Capri-Sun. Sein Unternehmen und Vermögen hat Wild in eine Liechtensteiner Stiftung überführt. „Ich übe für die Zeit nach meinem Tod“, witzelt er.

Bruder Rainer hatte sich auszahlen lassen, die Söhne Robert und Christoph hatten letztlich kein Interesse an der Firma ihres umtriebigen Vaters. Trotz Stiftungsmodell sieht Huth von KKR den Weg für den Kapitalmarkt nicht versperrt: „Einen Börsengang von Capri-Sun würde ich für die Zukunft nicht ausschließen.“

Nach dem Verkauf von Wild Flavors hat Wild mehr Muße, „endlich die schönen Dinge des Lebens zu genießen“. Er schippert mit seiner Jacht durchs Mittelmeer und hat zwei Traditionshotels in Österreich aufwendig saniert. „Die Renovierung des Goldenen Hirschen in Salzburg sollte sieben Millionen Euro kosten, letztlich habe ich 30 Millionen hineingesteckt. Das ist für mich Hobby und Investment“.

Wilds größte Leidenschaft aber ist der Rugby-Sport. Nach 15 Jahren gab er entnervt das Sponsoring hierzulande auf und kaufte den Pariser Top-Club Stade FranÇais. Wenn immer möglich sitzt er im Stadion. Wild: „Rugby ist hart wie das Geschäftsleben und erfordert absoluten den Teamgeist.“

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