Bowl-Trend: Der Food-Trend, der hoffentlich bald wieder vorbei ist - WELT

2022-06-03 20:05:16 By : Ms. Mary Zheng

A ls der Trend mit dem Schüsselgerichten vor ungefähr zwei Jahren aufkam, war es so wie bei allen Neuheiten: Übereuphorie breitete sich aus. „Was ein Hype“, „Muss ich auch machen“, „Schmeißt alle Teller aus den Schränken“ müssen sich die „Early Adopters“ gedacht haben, so werden hippe Trend-Pioniere von Marktforschern genannt. Denn mit einem Schlag war die Schale überall. Sie löste sogar das Einmachgläschen als Trendgefäß ab. In diesem wurden nämlich bis dahin in angesagten Lokalen und auf Events mit Vorliebe Birchermüslis und schlürfgerechte Suppen serviert.

Diese Unordnung im Einmachglas gefiel dem Hipster natürlich nur bedingt. Wer bei Instagram-Fotos auf Symmetrie steht, der mag es auch beim Essen gerne aufgeräumt. Die Schüssel kam da wie gerufen. In den Tiefen der Schüssel kann man nicht nur hervorragend die gemeinen Kohlenhydrate von Nudel bis Reis verstecken, die sich ohnehin auf dem Instagram Account nicht sonderlich gut machen. Zu sehen sind nur fein säuberlich filettierte Avocados, Beeren und ein paar Spiralen von Gemüse.

Denn das ist ja, worum es heute eigentlich beim Lunch geht: Viele Likes ersetzen das Sättigungsgefühl. Als Kind war ich persönlich ja schon stolz, wenn ich in meiner Buchstabensuppe so viel Überblick hatte, um mit vier oder, wenn es gut läuft, fünf Buchstaben ein existierendes Wort zu legen. Hätte man damals nur schon Instagram gehabt, denn aus mittlerweile nachvollziehbaren Gründen war die Begeisterung meiner Eltern überschaubar.

Wem es geht wie mir, der kann jetzt mit seiner #powerbowl auf Instagram all die bisher schmerzlich vermisste Anerkennung für Food-Arrangements nachholen. Denn bei der Bowl ist alles im Blick und so akkurat angeordnet, dass das Herz eines jeden Ordnungsfanatikers einen Freudensprung macht. Das gibt auch Herzen auf dem Instagram-Account. Egal, ob die Kreation eigentlich zusammenpasst. Wie auf diesem Instagram-Bild ersichtlich, das bei uns den Hashtag #ResteEssen irgendwie aufkommen lässt:

Nicht falsch verstehen, die Bowls schmecken ja. Mir auch. Nur eigentlich nach was? Bei Gerichten auf einem Teller kann man genau ausmachen, mit was man es jetzt gleich zu tun haben wird: Fleisch, Beilage, Gemüse, Soße oder Serviette. Bei einer Bowl hingegen: War das jetzt ein Apfel oder eine Kartoffel? Oder doch Feta? Und alles ist nach ein paar Bissen so durchgemischt, dass es zwar auf seine eigene Weise lecker ist, aber eben ein undefinierbares Potpourri im Mund ergibt. Erinnert an das Konzept “Hipp-Gläschen“.

Es gibt natürlich Dinge, die gehören in Schüsseln. Müslis, Suppen und eben alles, was ohne Rand davon laufen kann. Aber vor allem Salate können meines Wissens nicht davon laufen. Oder Quinoa. Oder Kichererbsen. Zum Erwachsenenleben gehört der Gebrauch eines Tellers eben unvermeidbar dazu.

Marktforschungsunternehmen rechtfertigen den Hype um Schüsseln übrigens gern mit ominösen Studien, nach denen das Essen aus einer Schüssel glücklicher mache. Mich nicht. Eine weitere Studie der Oxford Universität behauptet, dass man mit dem Essen aus einer eckigen Schüssel sogar abnehmen würde – weil man aus einer Schüssel ja im Stehen essen könne. Oder so ähnlich. Lasst das bitte nicht die Trendsetter hören. Sonst werde ich an dieser Stelle bald zusätzlich zur Sehnsucht nach dem guten, alten Teller auch eine Vermisstenanzeige zu Sitzmöglichkeiten in Restaurants verfassen müssen.

Warum die Autorin in Restaurants derart oft Schüsseln ausgesetzt ist? Gloria von Bronewski sammelt auf ihrem Travel-Blog neue Food- und Reisetrends. Und manchmal eben auch die weniger praktischen.

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