La Réunion wird grün - doch auf die richtige Weise? | Wirtschaft | DW | 10.01.2022

2022-05-27 20:01:30 By : Ms. Kate Wu

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Das französische Überseeterritorium La Réunion will bis Ende 2028 seine Energie komplett aus erneuerbaren Quellen schöpfen. Doch es gibt Streit, wie das Ziel erreicht werden soll.

Die Solaranlage des Projekts Les Cèdres von im Süden der Insel

Wer aus einer Großstadt wie Paris oder Berlin im französischen Überseeterritorium La Réunion ankommt, glaubt sich zunächst im Paradies. Die Insel ist mit Palmen und üppigen grünen Berglandschaften übersät. Die Seebrise verstärkt den Eindruck der makellosen Natur.

Doch nur zehn Kilometer östlich der Hauptstadt Saint-Denis wird klar, dass das Paradies so ganz unberührt nicht ist: Laut brummend fahren ununterbrochen Lastwagen heran und kippen krachend ihre Ladungen an Zuckerrohr auf den Boden vor der Zuckerfabrik Bois-Rouge. Dahinter ragen hohe Schlote in die Luft, die zur Fabrik selbst oder zum Kraftwerk der Firma Albioma nebenan gehören. Das läuft zum Teil mit Kohle.

"Perfekter Kreislauf": Vianney Tailamee, Direktor der Zuckerfabrik Bois-Rouge

Albioma betreibt auf der Insel noch ein weiteres Kohlekraftwerk, der Energiekonzern EDF ein Kraftwerk, das zur Stromerzeugung Schweröl verbrennt. Insgesamt stammen zwei Drittel der Energie auf La Réunion aus fossilen Quellen. Das will das Département ändern und bis Ende 2028 all seine Energie aus erneuerbaren Quellen schöpfen.

Manche Medien hatten fälschlicherweise berichtet, dieses Ziel solle schon 2023 erreicht werden. Doch auch mit dem Zieljahr 2028 ist La Réunion immer noch deutlich ehrgeiziger als Kontinentalfrankreich, das lediglich ein Drittel grüne Energie bis zum Jahr 2030 anpeilt. (Wenn allerdings Atomstrom in der EU in Zukunft tatsächlich als grün deklariert wird, sieht die Rechnung Frankreichs natürlich wieder anders aus.)

In den Kohlekraftwerken auf La Réunion soll die Kohle durch Biomasse ersetzt werden, das Ölkraftwerkt soll künftig mit Raps- und Sojaöl laufen. Auch Erneuerbare will man ausbauen - vor allem Photovoltaik und Windkraft. Gegen dieses Ziel hat auf La Réunion kaum jemand etwas einzuwenden - umstritten ist allerdings, wie es erreicht werden soll.

"Wir funktionieren wie ein perfekter Kreislauf, unsere Produktion ist jetzt schon nachhaltig", erklärt Vianney Tailamee, der Direktor der Zuckerfabrik, die dem Konzern Téréos gehört, als er an einem Freitagmorgen durch die Industrieanlage läuft. In seinem Schlepptau ist unter anderem Nelly Noël, Beauftragte für Umwelt und industrielle Risiken beim Energieversorger Albioma.

"Wir pressen die Zuckerrohre, um daraus Saft zu erhalten", sagt Tailamee und zeigt auf das riesige Netzwerk aus Maschinen hinter ihm. "Die Unreinheiten des Umwandlungsprozesses - Sand und Erde zum Beispiel - gehen zurück auf die Felder der umliegenden Landwirte. Die Melasse, ein Zuckersirup, wird entweder an Tiere verfüttert oder wir schicken sie zur nahe gelegenen Destillerie, die damit Alkohol und Bioethanol herstellt. Die Bagasse, die faserigen Überreste des Zuckerrohrs, senden wir natürlich an Albioma", sagt er und guckt Noel an, die zustimmend nickt. "Von dem Kraftwerk beziehen wir dann wiederum einen Teil unserer Energie - schließlich speist das seinen Strom ins Netz."

Und Albiomas Strom werde bald komplett mit Biomasse hergestellt und nicht nur zu 40 Prozent wie derzeit, erklärt Noël, als sie kurze Zeit später über das Fabrikgelände des Energieunternehmens führt. "Unsere zwei Kraftwerke laufen derzeit fast die Hälfte des Jahres mit Bagasse, die andere Hälfte ausschließlich mit Kohle", sagt sie zur DW. Um ganz auf Biomasse umzustellen, baut das Unternehmen für 200 Millionen Euro auf dem Gelände große, halbrunde Speicher für Holzpellets, die die Kohle ersetzen werden.

"Bald komplett mit Biomasse": Nelly Noël von Albioma vor den Speichern für Holzpellets

Weil Biomasse während ihres Wachstums so viel CO2 aufsaugt, wie sie bei der Verbrennung freisetzt, gilt sie als klimaneutral. "Den größten Teil der zu verarbeitenden Holzpellets werden wir zunächst aus dem Norden der USA importieren, später dann vielleicht aus Ländern wie Mosambik und Südafrika", sagt Noël. Rund 800.000 Tonnen wolle man importieren, weitere 100.000 Tonnen von La Réunion selbst beziehen.

Genau das kritisiert Jean-Claude Futhazar, Generalsekretär des lokalen Umweltvereins Srepen. "Wir sollten die gesamte Biomasse lokal beziehen, anstatt sie zu importieren - sonst sind wir doch energetisch von anderen Ländern abhängig und produzieren mit dem Transport wieder CO2", sagt er zur DW. "Außerdem würde das hier Arbeitsplätze schaffen." Die energetische Unabhängigkeit strebt La Réunion zwar auch an - allerdings erst für das Jahr 2030. Das, meint Futhazar, sei zu spät.

Außerdem findet der Ingenieur, gewisse Punkte würden im Plan der Regierung praktisch fehlen, darunter Verkehr. "Der hängt fast zu 100 Prozent von fossilen Energieträgern ab. Und es gibt immer mehr Einwohner und dadurch auch immer mehr Autos", sagt er. Bisher gebe es auf der Insel keine einzige funktionierende Bahnstrecke. Öffentliche Überlandbusse würden wenig genutzt.

Das zu ändern, könne allerdings Jahrzehnte dauern, glaubt der Aktivist. "Deswegen sollte die Insel auf Elektroautos setzen und ein Netzwerk von Ladestationen errichten." Dann würden mehr Menschen wie er in einem Elektroauto die Landschaften der Insel durchstreifen. Einen solchen massiven Ausbauplan gibt es bisher jedoch nicht - die Elektrizität sei dafür noch zu teuer, so die Regierung.

"Zu wenig, zu spät": Jean-Claude Futhazar von der Umweltorganisation Srepen

Ein weiterer Kritikpunkt ist für Futhazar die Eigenproduktion von Strom. Der Umweltaktivist ist vor einigen Jahren von der Küste 200 Meter höher ins Gebirge gezogen und hat dort ein nachhaltiges Haus gebaut - auf dem Dach sind Solarpaneele installiert, eine Klimaanlage gibt es nicht, weil große, offenen Türen für Durchzug sorgen. Seinen jährlichen Stromverbrauch habe er von 9000kWh auf 3200kWh reduzieren können. Er verkauft sogar noch einen Teil der von ihm selbst produzierten Energie.

Sein Gemüse und seine Früchte bezieht er aus seinem Biogarten, ein Dutzend Riesenschildkröten in einem Gehege verspeisen seine Essensreste. "Ich wollte ein umweltverträgliches Haus bauen, schließlich sollten wir nachfolgenden Generationen die Erde in halbwegs gutem Zustand hinterlassen", so Futhazar. "Auch andere könnten ihre Energie durch Photovoltaik herstellen. Hier sind 60 Prozent der Häuser freistehend. Alle zusammen könnten die Hälfte des Stromverbrauchs der Insel abdecken", sagt er.

Photovoltaik spielt auch im Plan der Regierung eine Rolle, allerdings nur in Form großflächiger Solaranlagen. Bis 2028 soll deren Gesamtkapazität auf 500 MW steigen, gegenüber 190 MW im Jahr 2018. Windenergie soll im selben Zeitraum auf gut 90 MW mehr als verfünffacht werden.

Der Energieerzeuger Akuo Energy betreibt bisher elf Photovoltaik-Projekte auf La Réunion mit einer installierten Kapazität von insgesamt gut 30 MW. Eins der Projekte ist die 9 MW-Anlage Les Cèdres im Süden der Insel (Artikelbild oben).

"Wenig Platz": Xavier Ducret von Akuo Energy vor Solaranlagen, unter denen Pflanzen und Gemüse wachsen

"Dieses Projekt kombiniert Photovoltaik mit ökologischem Landbau. Gleichzeitig speichert ein System aus Batterien den Strom, um ihn abends zu Höchstverbrauchzeiten ins Stromnetz einzuspeisen", erklärt Xavier Ducret, Generaldirektor des Unternehmens für den indischen Ozean, gegenüber DW, während er durch die Reihen an Solarpaneelen läuft. Darunter wachsen allerlei Pflanzen und Gemüse.

Eine solche Kombination aus Energieanlagen und Landwirtschaft sei auf La Réunion sinnvoll, so der Ingenieur. "Schließlich haben wir auf unserer Insel nicht so viel Platz. Ein großer Teil der Fläche gehört zum Unesco-Welterbe, steht also unter Schutz, und die Landwirtschaft braucht ja auch Platz", sagt Ducret. Auch künftige Projekte des Unternehmens sollen deshalb Ackerbau mit Solaranlagen kombinieren. Zuckerrohr, mit dem man vor Ort Bagasse herstellen kann, wird man dort aber wohl nicht anbauen.

Ein Firmen-Konsortium will aus dem französischen Überseeterritorium La Réunion einen globalen Digitalhub machen. Das könnte auch der gebeutelten lokalen Wirtschaft helfen.  

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