Biokunststoffe: Aber nicht biologisch abbaubar? - Angeblich biologisch abbaubare Beutel sind auch nach drei Jahren noch intakt - scinexx.de

2021-11-16 13:41:32 By : Ms. Lulu Ye

Überraschend langsamer Zerfall: Biologisch abbaubare Plastiktüten verrotten nicht unbedingt schneller als ihre herkömmlichen Gegenstücke. Im Boden vergraben oder im Meer versenkt, sind einige dieser vermeintlich umweltfreundlichen Alternativen auch nach drei Jahren noch unversehrt – und befördern Einkäufe zuverlässig, wie Experimente ergeben haben. Dabei stellt sich laut den Forschern die Frage, wie groß der Vorteil der als biologisch abbaubar deklarierten Materialien wirklich ist.

Ob Handyhülle, PET-Flasche oder Plastiktüte: Kunststoffe begegnen uns im Alltag an fast jeder Ecke – auch dort, wo sie eigentlich gar nicht hingehören. Plastikmüll und Mikroplastik finden sich mittlerweile in fast unvorstellbaren Mengen in der Umwelt und die Müllberge werden immer größer. Denn konventionelle Kunststoffe wie PET sind kaum abbaubar. Das heißt: Sie verrotten nicht oder nur sehr, sehr langsam.

Um dem wachsenden Plastikproblem entgegenzuwirken, gibt es mittlerweile Alternativen auf dem Markt: Kunststoffe aus abbaubaren Materialien, die die Natur weniger belasten sollen. Doch wie schnell verschwinden diese vermeintlich umweltfreundlichen Stoffe nach der Entsorgung im Müll wirklich?

Dieser Frage sind nun Imogen Napper und Richard Thompson von der University of Plymouth nachgegangen. Für ihre Studie verglichen sie herkömmlichen PET-Kunststoff mit verwandten Biokunststoff-Varianten – darunter biologisch abbaubare und kompostierbare Materialien sowie ein oxo-abbaubarer Kunststoff. In letzterem werden Metallionen mit herkömmlichem Kunststoff vermischt, die in Gegenwart von UV-Licht oder Hitze und Sauerstoff eine Oxidation und schließlich eine Fragmentierung auslösen.

Über einen Zeitraum von drei Jahren testeten die Wissenschaftler solche Kunststoffe unter Laborbedingungen und in drei natürlichen Umgebungen: Wie gut würden Beutel aus diesem Kunststoff in der Luft, im Boden und im Meerwasser verrotten?

Das Ergebnis: Nach neun Monaten im Freien zeigten alle Materialien deutliche Zersetzungserscheinungen und waren bereits in kleinere Fragmente zerfallen. Bei den Proben im Boden und im Wasser war das Ergebnis jedoch ernüchternd. Auch nach drei Jahren funktionierte der vermeintlich biologisch abbaubare Biokunststoff noch einwandfrei als Tragetasche und transportierte Einkäufe zuverlässig ohne zu reißen, wie das Forschungsteam berichtet.

„Wir waren sehr überrascht, dass dies mit biologisch abbaubaren Beuteln möglich war. Wer ein Produkt mit einem solchen Etikett kauft, geht automatisch davon aus, dass es schneller verrottet als eine herkömmliche Plastiktüte. Unsere Arbeit zeigt aber, dass dies nach mindestens drei Jahren nicht unbedingt der Fall ist“, so Napper.

Lediglich der als kompostierbar deklarierte Kunststoff schnitt im Test etwas besser ab als sein konventionelles Pendant: Nach nur drei Monaten war dieser Beutel komplett aus der Meeresumwelt verschwunden. Im Erdreich hielt es in seiner ursprünglichen Form jedoch 27 Monate, war aber zu diesem Zeitpunkt nicht mehr tragfähig.

Insgesamt zeigt dies, so die Forscher, dass längst nicht jede als abbaubar gekennzeichnete Plastiktüte so gut verrottet, wie es in jeder Umgebung zu erwarten ist. Insbesondere bei oxo- und biologisch abbaubaren Materialien bleibt unklar, ob sie gegenüber herkömmlichen Plastiktüten klare Vorteile bei der Verrottung haben.

„Unsere Studie bestätigt den dringenden Bedarf an Standards für abbaubare Kunststoffe. Es muss dem Verbraucher klar gemacht werden, wie solche Kunststoffe entsorgt werden können und mit welchen Abbauraten zu rechnen ist“, so Thompson abschließend. (Umweltwissenschaft & Technologie, 2019; doi: 10.1021 / acs.est.8b06984)

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